Der Weg ist das Ziel
Goldberggruppe
02.-08.09.2006
Samstag, den 02.09.2006
Dieses Jahr war eigentlich
wieder mal das Ötztal dran, da aber alle meine Freunde mit Verletzungen oder
terminlichen Schwierigkeiten ausfielen, musste ich mich für ein Gebiet entscheiden,
das man ohne Seil gehen kann.
Ich fuhr ganz gemütlich in 9
Stunden von Steinbach bis Bad Gastein mit dem Zug. Dort wollte ich überlegen,
ob ich im Ort bleiben wollte, oder mit dem Bus nach Sportgastein und zu Fuß zur
Bockhartseehütte gehen sollte. Glücklichweise erfuhr ich, dass da oben der
Stausee rund um die Uhr erweitert wird und dass auch Einheimische einen großen
Bogen um die Hütte machen, sei der Durst auch noch so groß. Fremde würden
freiwillig auch nur einmal vorbeigehen.
Gegenüber vom Bahnhof gibt
es Das Hotel „Goethehof“, das für 30 € mit Frühstück doch sehr preisgünstig und
gut ist. Im Gasthaus nebenan „Oraniastuben“ kann man auch hervorragend essen
und auch mit der Belegschaft kommt man gut zurecht, mich haben sie gleich an
den Stammtisch gesetzt und nachdem der Chef um 20 Uhr die Türen verschlossen
hatte, war ich immer noch drin.
Sonntag, 03.09.2006
Um 7:30 Uhr Frühstück, um
8:30 Uhr mit der ersten Bahn hinauf auf den Stubnerkogel 2246m. Der erste Teil
der Route ist gut zu überblicken, bis Mießbichelscharte 2238m und dahinter der
Silberpfennig 2600m. Das Wetter ist noch gut, eine relativ geschlossene, aber
nur flache Wolkendecke versprach eine trockene Tour. Es geht den Nordgrat auf
den Tischkogel 2409m hinauf, wo ich eine erste kurze Rast mit gutem Blick habe.
Eine Gruppe Steirer kommt hinter mir auf den Gipfel und packt erst mal den
Gipfelschnaps aus. Ich bekomme auch einen Obstler und einen Vogelbeerschnaps
ab. Gute Qualität!
Es geht weiter auf dem Kamm
zum Zitterauer Tisch 2461m zum Ortbergschartl 2273m und dann in der Nordflanke
des Ortberges entlang zur Mießbichelscharte 2238m. Dort überlege ich, ob ich
weglos über Kleinen 2542m und Großen Silberpfennig 2600m gehe, um nicht bis auf
2050m wieder hinabsteigen zu müssen, aber die Steirer sagten, an den
Kletterstellen hätten schon Einheimische mächtig geflucht, obwohl der Führer
das als unschwierig bezeichnet. Der Blick auf die Uhr sagt mir, dass ich mal
wieder viel zu schnell gelaufen bin und gerade mal 2 Stunden unterwegs bin.
Angesichts der Tatsache, dass es mein erster Tag ist, ich alles andere als
akklimatisiert bin, lässt mich die vernünftige Richtung einschlagen. Ein
landschaftlich herrlicher Hangweg mit Gras- und Blockfelsabschnitten und der
Blick hinunter zu den Bockhartseen lässt die Strecke nicht langweilig werden.
An dem Oberen Bockhartsee
2070m sieht man noch viele Spuren des mittelalterlichen Bergbaus. Dieses Mal
sind aber keine Steineklopfer unterwegs (siehe 1997).
Hinauf geht es auf die
Bockhartscharte 2226m. Auch hier sind wieder Reste von Gruben und
mittelalterlichen Schmelzöfen zu sehen. Unterhalb des Seekopfes wird die Seite
gewechselt und man schaut ins Rauriser Tal hinunter. An der Kolmkarscharte
2296m, auf dem Senator-Beindorf-Weg geht es zum Filzenkamm hinauf 2523m, mich
haben die Luftprobleme längst eingeholt, ich muss öfter stehen bleiben und
ordentlich durchschnaufen. Nach insgesamt 7 Stunden erreiche ich das
Niedersachsenhaus 2471m, der Willi freut sich, mal wieder einen Gast auf der
Hütte, nach dem verregneten August. Ich sollte nicht alleine bleiben, 4
Odenwälder Jungs kommen später vorbei, die aber am nächsten Tag wieder nach
Hause müssen. Das Wetter hat sich etwas verschlechtert, am späten Nachmittag
fängt es an zu regnen und hört erst in der nacht wieder auf.
Montag, 04.09.2006
Erstmal gemütlich
gefrühstückt und um 8:45 Richtung Neubau losgelaufen. Das Wetter bietet eine
geschlossene Wolkendecke in etwa 2700m. Aber je länger der Weg dauert, desto
besser wird das Wetter. Der Weg ist schön, aber nicht mehr markiert und wird
nicht mehr instandgesetzt. Willi sagte, dass wegen der Steinschlaggefahr der
Weg nicht mehr unterhalten werden darf. Als ich am Neubau 2175m nach 50 min.
Gehzeit einen gespritzten Apfelsaft zu mir nahm, fragte ich die Wirtsleute, wie
das denn nun wäre, weil der Weg auch nicht gefährlicher ist als andere. Die
Wirtin erzählte mir die Geschichte einer Wiener Rechtsanwältin, die dort durch
Steinschlag ums Leben gekommen ist und die Angehörigen sie verklagen wollte. Da
sie die Verantwortung nicht übernehmen kann, ist der Weg nicht mehr offiziell.
Auch hier sind jede Menge
Spuren des Bergbaus zu sehen, allerdings sind hier die Reste etwas neuer, da
bis in die 30er Jahre des letzten Jahrhunderts gearbeitet wurde. Oberhalb des
Radhauses, hier war die Maschine und das große Rad mit dem Seil untergebracht,
an dem die gefüllten Loren auf Schienen ins Tal zur weiteren Verarbeitung
hinuntergelassen wurden und die leeren Loren wieder hinaufgezogen wurden,
gelangt man in etwas steileres Gelände. Aber bald sieht man auch schon die
Rojacher Hütte 2718m und über Blockfelsen gelangt man dorthin. Hermann, der
Wirt hat eine Nudelsuppe für mich und wir sind einander sofort sympathisch. 1,5
Stunden mache ich hier Pause und wir sitzen draussen auf seinem „Sonnenbalkon“
vor der Hütte. Er erzählt mir, dass die Streitereien mit dem Weg auch eine
grundsätzliche Angelegenheit zwischen Alpenverein (Niedersachsenhaus, rot) und
den Naturfreunden (Neubau, schwarz) sind und die in der Anfangszeit der
Streitereien auch aufeinander geschossen hätten ?! Kommentar dazu ist
überflüssig.
Nach der ausgiebigen Pause
fängt der schönste Teil des Aufstiegs zum Zittelhaus auf dem Hohen Sonnblick
3105m an. Auf dem Ostgrat, der aus herrlichen Blöcken besteht, muss man recht
steil nach oben, teilweise gesichert durch Stifte und Klammern. Oben angekommen
noch eine kleine Querung auf dem Schneefeld und man ist da. Mit Pausen habe ich
wieder 7 Stunden benötigt, die waren aber recht ausgedehnt (2 Std). Diesmal
habe ich weniger Glück, ich bin der einzige Gast für diese Nacht auf der Hütte.
Ein Roman von Montalban habe ich durchgelesen.
Dienstag, 04.09.2006
Ich muss wieder zurück auf
die Rojacher Hütte, aber diesmal auf dem schnellen Weg über den Gletscher, so
dass ich wieder in 50 Minuten bei Hermann bin. Unterwegs komme ich um eine
Ecke, und es flattern 3 Schneehühner auf. Schade, aber auf dem Foto hätte man
sie sicher nicht gesehen, so gut, wie die getarnt sind. Heute ist noch viel
Nebel unterwegs, der sich aber in den nächsten 2 Stunden auflösen wird und mir
damit wieder ein sehr schöner Tag bevorsteht.
Hermann hatte wenigstens
noch 2 Übernachtungsgäste (die waren schon wieder aus dem Odenwald),, aber hier
hat ja auch schon das Computerzeitalter begonnen, auf den beiden Hütten gibt es
Laptops, die über Funk an das Internet angeschlossen sind, so dass alle sich
miteinander unterhalten können.
Ich muss noch bis ca. 2450m
absteigen, unterwegs komme ich an 3 schlaftrunkenen Steinböcken vorbei, die
mich zwar bemerken, aber sonst keinerlei Regung zeigen.
Jetzt brauche ich meine
Steigeisen, denn die Gletscherzunge hinauf besteht aus Blankeis und ist recht
steil. Unterwegs kommt mir ein Ehepaar aus der Steiermark entgegen, denen ich
ein paar Tipps gebe, die allerdings auch ohne Steigeisen unterwegs sind. Dementsprechend
lange brauchen sie, denn sie müssen jeden einzelnen Tritt mit den Gehstöcken
schlagen, denn auch einen Pickel haben sie nicht.
Über einen wunderschönen
Steig aus bewachsenem Gletscherschliff, wo sogar noch ein paar Enziane blühten,
steige ich wieder hinauf bis zur Niederen Scharte 2695m. Von dort über den Kamm
und den Goldbergtauernkopf 2775m zur Fraganter Scharte 2753m. Hier überlege ich
mir, ob ich den unteren, durch das Sommerschigebiet führenden Weg nehmen soll,
bei dem ich bis auf 2400m absteigen muss, oder noch über das Schareck 3122m und
dann zur Duisburger Hütte 2572m. Nach einer ausreichenden Mittagspause und
einem Blick auf die Uhr entscheide ich mich für „obenrum“. Ein steiler, aber
nicht unangenehmer Aufstieg zum Herzog-Ernst 2933m in einer knappen Stunde.
Dort fängt wieder ein wenig die Kletterei an, laut Führer bis
Schwierigkeitsgrad II. Aber bei den Ausblicken und bei dem Wetter macht es
einfach nur Spaß. Ich gönne mir über 1 Stunde Pause hier oben. Auf einmal
kreisen 2 Bartgeier unterhalb des Gipfels. Ganz schön groß, diese Viecher. Auf
dem Gipfel sind noch ein paar andere Leute, unter anderen 4 Einheimische, die
das Wetter genießen wollten und aus dem Tal über das Niedersachsenhaus aufgestiegen sind. Die Damen sind nicht die
großen Alpinisten (wollen das auch gar nicht sein) und einer der Herren hatte
etwa 140 kg. 8 Stunden haben sie aufwärts gebraucht und um 15:00 Uhr war es
eigentlich schon zu spät für den Abstieg. So sind sie mit der Bahn runter ins
Mölltal gefahren, dann herüber nach Spittal und durch den Tauerntunnel zurück
nach Badgastein. Von dort mussten sie noch mal hochfahren nach Sportgastein,
weil dort die Autos standen und sie am nächsten Tag wieder arbeiten mussten.
Fragt sich jetzt, was schneller gegangen wäre. Teurer wars auf jeden Fall.
Vom Gipfel muss man erst
einen luftigen Felsgrat überqueren, bis man an die Touristengrenze gelangt. Wie
schön, dass alle vernünftig waren und nicht versucht haben, den Gipfel zu
erreichen. Die Ruhe wäre dahin gewesen.
Ab hier wird nur noch das
Wurtenkees hinabgerutscht. Die Gesellschaft muss ständig die Schneekanonen
laufen lassen, damit überhaupt noch ein Schibetrieb möglich ist. Schrecklich
anzusehen. In der Duisburger Hütte hatte ich wieder Pech, es waren zwar 2
Ungarn da, deren Deutschkenntnisse ließen aber keine angeregte Unterhaltung zu.
So musste ich wieder ein Buch aus der Hüttenbibliothek durchlesen. Diesmal war
es lustig, 240 Seiten Anekdoten über berühmte und weniger berühmte Bergsteiger.
Mittwoch, 05.09.2006
Heute ist ein strahlender
Tag, allerdings muss ich die ersten zwei Stunden gegen die Sonne gehen, was
nicht sehr prickelnd ist. Ich bin mit dem Lippenstift kaum mehr nachgekommen
und so habe ich sie mir doch ein wenig verbrannt.
Am Ende der 2 Stunden in
gleicher Höhe muss ich auf die Feldseescharte 2712m aufsteigen, steil,
anstrengend und nicht immer angenehm, weil rutschig. Oben ist die Nebelglocke
auch nicht mehr in bestem Zustand, von allein oder vom Wind läutet sie nicht
mehr. Hier steht auch die Weisgerber-Biwakschachtel. Ab hier geht es erst auf
dem auslaufenden Südgrat, später äußerst steil eine Schuttrinne hinauf zum
Vorderen Geiselkopf 2974m. Diese Rinne war so steil, dass ich an manchen
Stellen bei jedem Schritt gleich 5 Zentimeter wieder nach unten gerutscht bin.
Jedenfalls habe ich mir etwas das kaputte Knie wehgetan. Dieser Weg ist
eigentlich nicht zu empfehlen und wird wohl auch nicht so oft begangen.
Allerdings kommt man an einem Steinbockaussichtsbalkon vorbei, der auch von 2
Steinböcken genutzt wurde. Ich habe keine Ahnung, wie die da hoch gekommen
sind, so steil, wie das Gelände ist. Schon toll anzusehen, wie sie sich ein
schönes Leben machen können.
Oben wieder tolle Rundblicke
vom Dachstein über Angkogelgruppe, Dolomiten, Karawanken, Schobergruppe, Glocknergruppe
zu dem Berchtesgadener Alpen.
Der Abstieg ist auch hier
etwas heikel, aber bei weitem nicht so schlimm wie auf der anderen Seite,
vielleicht liegt es auch an meinem Gewicht (nackt ca. 100 kg).
Eine Überraschung auf der
Hagener Hütte 2446m. Es sind etwa 200 Gäste da, die aber Gott sei Dank nicht
alle übernachten wollen, nur ca. 20 von Ihnen.
Ich beschließe, am nächsten
Tag abzusteigen, da mein Knie etwas dick geworden ist.
Hier war wenigstens der
Hüttenabend anregend und lustig, die Leute waren alle in Ordnung.
Donnerstag, 06.09.2006
Heute eigentlich nur noch
der Abstieg auf der alten Römerstrasse nach Sportgastein. Ich lasse mir Zeit,
um das Knie nicht zu überanstrengen. An der Nassfeldalm treffe ich wieder die
Einheimischen aus der Hütte am Nebentisch, sie fragen mich, wo ich denn
herkäme, denn manchmal würde ich sprechen „wia a Gasteiner“, andererseits hätte
ich doch auch Wörter, die nicht in den Sprachschatz gehören, oder die ich
anders ausspreche. Sie waren doch überrascht, dass ich aus Deutschland komme.
Scheinbar habe ich Talent, oder ich werde von der Gegend assimiliert.
An der Bushaltestelle
überlege ich, ob ich den Bus nach Bad Gastein nehmen soll, oder zu Fuß die
Schlucht hinunter gehen soll. Landschaftlich schön ist sie. Aber da oben ein
reger Baustellenverkehr herrscht und ich ein Stück weit die Strasse entlang
muss, entscheide ich mich für den Bus. Im Hotel bekomme ich wieder das gleiche
Zimmer, die Dusche tut gut und das anschließende Mittagessen nebenan auch.
Dann eine kleine Siesta und
das Abendessen. Es gab natürlich wieder genug zu erzählen am Stammtisch.
Freitag, 07.09.2006
Abreise 9:18 mit dem Zug, in
Salzburg 1 Stunde Aufenthalt, dann ein durchgehender Zug nach Hause, meine
Familie freut sich schon. Ich auch.