1977 – Bergwanderführerlehrgang der Deutschen Wanderjugend
in den Stubaier Alpen - 27.08. -
04.-09.1977
27.08. Anfahrt
Nach der langen Anfahrt in
Privat-PKW’s wurde die Quartierverteilung in Axams vorgenommen. Da wir alle auf
nur zwei Häuser aufgeteilt waren, war das mit keinen großen Schwierigkeiten
verbunden. Da für uns alle im Haus Zimmermann ein Tagungsraum zur Verfügung
stand, konnte unser Lehrgang ohne Unterbrechung gut durchgeführt werden. Nach
dem allgemeinen Vorstellen der Teilehmer wurde ausgiebigst das
Lehrgangsprogramm besprochen und das Lehrgangsziel festgelegt. Danach konnten
wir gezielt mit der Arbeit beginnen. Das erste Referat über das allgemeine
Verhalten im Berg konnte sich über uns ergiessen, dem sich dann eine lebhafte
Diskussion anschloß.
In Erwartung des Kommenden
war der gemütliche Teil dieses Abends sehr kurz, da wir am nächsten Morgen
zeitig mit unserer Einlauftour beginnen wollen.
28.08. Kalkkögel
Wie schon am vorigen Abend
besprochen, fuhren wir um 7 Uhr in die Axamer Lizum, um dort den Aufstieg zur
Nockspitze (2504m) zu beginnen. Ein gut angelegter Pfad ohne Schwierigkeiten,
doch mit einem Höhenunterschied von 1200m Auf unserem Marschprogramm stand
weiterhin der Abstieg über das Bigitzköpflhaus nach Götzens. Gezwungenermaßen
mussten wir unsere Marschroute ändern, wie sich dann später herausstellte. Der
Wettergott meinte es nicht gerade gut mit uns, denn je höher wir kamen, desto
weniger konnten wir sehen – mit anderen Worten: es war neblig mit einer
Sichtweite von 10-20 Metern. Hier wurde uns allen bewusst, welche Gefahren auf
einem sonst harmlosen Pfad bei ungünstigen Witterungsverhältnissen auftreten
können. Später mussten wir zu unserem Verdruss auch noch fetstsellen, dass wir
uns in dem Nebel verlaufen hatten und in Mutters, statt in Götzens wieder auf
die Erde kamen. Dort hatten wir einige Minuten Zeit, unsere ersten Blasen zu
begutachten, währand wir auf den Stubaitalexpress warteten. Wir fuhren also mit
einem Bähnchen, Baujahr 1904 nach Innsbruck und von dort mit dem Bus nach Axams
zurück. Im Haus Zimmermann verbrachten wir den Rest des Tages mit sehr viel
Theorie. Referate über die Ausrüstung für das Bergwandern und über die Gefahren
der Berge standen auf der Tagesordnung.
29.08. Innsbruck
Für heute war eine Kurzwanderung
nach Innsbruck geplant. Um 9 uhr liefen wir in Axams weg nach Birgitz, dann
weiter nach Götzens. Das Wetter war heute schön und wir hatten eine gute
Aussicht. Wir wanderten am Natterer See vorbei zum Waldgasthof Zur Eiche, wo
wir eine kurze Rast einlegten. Für die Führung hatten wir einige Leute aus dem
Teilehmerkreis bestimmt. Sie führten uns eigentlich ganz gut, bis zum Schluss,
liefen sie ein Stück voraus, so dass wir sie nicht mehr sahen. Wir hatten uns
auch noch ein bisschen verlaufen, aber trotzdem kamen wir alle wohlbehalten in
Innsbruck an. Nach einem kurzen Stadtbummel fuhren wir mit dem Bus wieder nach
Axams zurück. Während die erste Gruppe sich imt der Knotenkunde befasste, wurde
in der zweiten Gruppe der Umgang mit Karte und Kompass erlernt. Am Abend hatten
wir als Referenten einen Axamer Bergführer, der uns an Hand von Lichtbildern
über die Gefahren im Berg unterrichtete, dem sich eine lebhafte Diskussion
anschloss.
30.08. Kalkkögel
Frühstück um 6:30 Uhr begann
mit guter Laune und schönem Wetter. 7:30 Uhr Abfahrt mit unseren PKW’s zur
Axamer Lizum. Mit dem Lift ging es weiter zur Birgitzköpflhütte 2035m. Zu Fuß
marschierten wir zum Halsl. Danach stiegen wir durch das Lizumer Kar zum
Widdersberger Sattel, wo wir Brotzeit machten. Auf einem sehr steilen felsigen
Pfad stiegen wir nun zur Hochtennspitze 2551m. Hier hatten wir einen
unwahrscheinlichen Rundblick auf das Karwendel- und Wettersteingebirge, die
Lechtaler und Ötztaler Alpen sowie auf die Stubaier Alpen.
Nach dem Abstieg wanderten wir über den Hoadlsattel zum Hoadl, wo wir in der Jausenstation eine Stunde Rast einlegen. Der Abstieg ging dann durch die Lizumer Grube (Olympia-Abfahrt der Damen ein Jahr zuvor) hinunter in die Lizum. Mit den PKW’s fuhren wir zum Schluss geschafft zurück nach Axams.
31.08.
Hüttentour Nürnberger Hütte
Nachdem
Ludwig mit seiner Gruppe zur Kemater Alm, dem Startpunkt der anderen Gruppe,
gebracht worden war, fuhren wir mit den Autos ins Stubaital nach Ranalt. Von
einem Waldparkplatz begannen wir den Aufstieg über die Bsuchalm zur 2281m hoch
gelegenen Nürnberger Hütte. Die für den Nachmittag geplante Besteigung der
Mairspitze musste wegen Schlechtwetter abgeblasen werden. Am späten Nachmittag
wurde uns telefonisch mitgeteilt, dass gegen abend Benno Salchner noch zur
Hütte aufsteigt und uns als Bergführer zur Verfügung steht. Nach dem Abendessen
saßen wir im Nürnberger Stübchen und sprachen mit unserem Bergführer über die
bevorstehenden Tage, das Wetter, die Schnee- und Eisverhältnisse am Berg und
über andere bergsteigerische Belange.
01.09.
Wilder Freiger 3418m – Müllerhütte 3148m
Um
5:00 Uhr weckte uns Benno, um 6:00 Uhr war alles marschbereit für den Aufstieg
zum Wilden Freiger. Mit gleichmäßigen und nicht zu schnellen Schritten ging
Benno voraus. Wir stiegen auf eine Höhe von 3050m. Nach einer Stunde
Aufstiegzeit war dieser Punkt, das Gamsspitzl, erreicht. Verschnaufpause und 2.
Frühstück waren mit einer halben Stunde bemessen. Zum ersten Mal konnten wir von hier den Gipfel bewundern. Diese
Sicht hatten wir leider aber nicht lange, es zog sich wieder zu. Der Aufstieg
über den Grübelferner trennte uns jetzt noch vom Gipfel. Vorbei an einigen
zugeschneiten Gletscherspalten, die von
unserem Bergführer untersucht und durch Aufschlagen kenntlich gemacht wurden,
stiegen wir weiter. Auf der letzten Etappe überholten wir etliche Gruppen, die
konditionsmäßig recht gut aussahen,
aber den Berg zu schnell angegegangen waren und dann Schwierigkeiten mit der
Luft hatten. Also merke: Immer die Kraft von Anfang an richtig einteilen. Nach
insgesamt 165 Minuten Gehzeit hatten wir den Gipfel erreicht.
Der
erste 3000er in unserem Lehrgang. Benno begrüßte jeden von uns mit Handschlag
und Berg Heil. Leider war keine Sicht und die Witterung nicht dazu geeignet für
eine lange Gipfelstunde. Eintragung ins Gipfelbuch, kurze Verschnaufpause,
kurze Verschnaufpause und dann kam die Überraschung. Benno öffnete seinen
Rucksack, holte Seil, Reepschnüre und Karabiner heraus und machte sich ans
Anseilen. Brust- und Sitzgeschirr schnell geknüpft, Karabiner daran, dieser
wurde in einen in das Seil eingeknüpften Sackstich (!) eingehängt. Jetzt gibt
es etwas Feines, dies war sein ganzer Kommentar, bevor er uns über den Lübecker
Grat hinüber zur Müllerhütte führte. Es war schon etwas Nervenkitzel dabei.
Später gestand er uns, dass es nicht der Normalweg war und überhaupt, was
wollten wir denn schon so früh auf der Hütte. Die Hütte liegt etwa 20m hinter
der Grenze auf Südtiroler Seite. Laut Grenzabkommen dürfen Gebäude innerhalb
eines 50m-Streifens nicht mehr renoviert werden. Für die Müllerhütte bedeutet
dies der langsame Verfall. So fehlten schon einige Fensterscheiben. Daher
mussten wir die nötige Wärme mit Glühwein hergestellt, da bereits nachmittags
das von den Schuhen in der Gaststube hinterlassene Schmelzwasser gefror. In den
Abendstunden diskutierten mit Benno über Seil-, Eis- und Wetterkunde, Rettung
aus Bergnot oder Tourenplanung im nicht bekannten Gebiet. Die wenigen
Bergsteiger, die ebenfalls auf der Müllerhütte übernachteten, schlossen sich dabei
unserem Gespräch an.
02.09.
Wilder Pfaff 3458m – Zuckerhütl 3507m – Dresdener Hütte 2311m
Weckruf
von Benno um 5:00 Uhr. Eine Stunde später stiegen wir bereits wieder angeseilt
über den Übeltalferner zum Ostgrat des Wilden Pfaffs. Hier begann dann der
Aufstieg. Beim Aufstieg waren wir vom Nebel und den Wolken so eingehüllt, dass
wir an keine Wetterbesserung glaubten. Doch wenn Engel reisen, dann lacht der
Himmel. Kaum waren wir auf dem Gipfel, da riss der Himmel auf und der Nebel und
die Wolken verschwanden für Minuten.
Fünfzehn
Minuten später waren wir im Pfaffensattel. Hier legten wir die Rucksäcke ab und
stiegen in weiteren 20 Minuten über den Firngrat hinauf auf den höchsten Berg
der Stubaier Alpen, das Zuckerhütl.
Bei
einem herzlichen Berg Heil und unter dunkelblauem Himmel wurde der Gipfeltrunk,
spendiert vn Wilhelm, geleert. Nach einer herrliche Gipfelstunde ging es zurück
zum Pfaffensattel. Kaum waren wir von hier ein Stück über den Sulzenauferner
abgestiegen, sahen wir beim Blick zurück, dass sich bereits alles wieder
zugezogen hatte. Weiter ging es in 2 Stunden über das Pfaffenjoch zum Aperer
Pfaff, den langen Pfaffennieder zur Dresdener Hütte. Zurück in der
Zivilisation, konnte wir hunderte von Seilbahnfahrern treffen.
03.09.
Abstieg
Abstieg
zur Mutterbergalm und weiter nach Ranalt zu den Autos. Dann fuhren wir zu
unserem Traffpunkt nach Innsbruck. Eine herrliche Bergfahrt hatte ihr Ende
gefunden.
Nachdem
auch die andere Gruppe wohlbehalten im Hotel angekommen war, war das
hoteleigene Schwimmbad fest in unserer Hand.
Am
Abend hatten sich die Teilnehmer der beiden Gruppen viel zu erzählen und alle
ließen bei einem schönene Abschlussabend nochmals den Lehrgang im Geist
vorüberziehen.
04.09.
Abreise
Nach
dem Frühstück begann das große Händeschütteln, denn die PKW-Besatzungen wollten
die Heimfahrt getrennt durchführen.
Alle
waren der Meinung, einen herrlichen Lehrgang erlebt zu haben, bei dem viel
Wissen vermittelt wurde und dieses Wissen auch in die Praxis umgesetzt werden
konnte.
Auch
wurden viele Bergkameradschaften geschlossen.
Ein
lehrreicher Bergwanderführerlehrgang hatte damit sein Ende gefunden.