1975 – Konfirmandenfreizeit Tschagguns Montafon
Den Virus hatte ich
eigentlich schon länger in mir. Aber bei den letzten Urlauben mit meinen Eltern
in Murau/Steiermark haben mich zwar die Niederen Tauern fasziniert, aber eine längere
Wanderung war nicht zu machen, da aus Geldersparnisgründen nur Wildlederschuhe
(egal ob sie passen, Hauptsache billig) für mich drin waren, und vor 10 Uhr
morgens keine Tour begonnen werden konnte, weil man sich erst informieren muss
und frühstücken muss, eine Wanderkarte ist nicht notwendig, der
Orientierungssinn sollte reichen.
So freute ich mich besonders
auf den ersten Urlaub ohne Eltern, der mich nach Tschagguns führte, wo das
Dekanat Zwingenberg ein Heim oberhalb des Stausees Latschau auf etwa 1300m
besitzt. Die Seilbahn war damals noch ein Schrägaufzug und hatte eine
Bedarfshaltestelle in der Nähe des Heims.
Die Freizeit war so
eingeteilt, dass immer abwechselnd ein Wandertag und ein Bastel-, Spiel-,
Sing-, Tanz- oder sonstiger Tag eingelegt wurde. Lustig war es so oder so
immer.
1. Wanderung: Eingewöhnungstour Heim 1300m Matschwitz 1520m – Gauertalhütte 1235m – Latschau 1000m – Heim 1300m
Den Fahrweg nach Matschwitz
hoch zu gehen hat keinen besonderen Spaß gemacht, da er recht steil und steinig
war und es durchaus vorkam, dass ein Auto gehörig Staub aufwirbelte. Von dort
ging es fast eben am Hang einen schönen Waldpfad entlang mit einigen schönen
Ausblicken auf die Drei Türme 2838m oder die Sulzfluh 2818m. Einen
wunderschönen, in der Wiese kaum sichtbaren, aber trotzdem ausgetretenen und
nicht markierten Pfad nahmen wir, um ins Gauertal zu gelangen. Als Belohnung
konnten wir im Gauertal-Naturfreundehaus etwas trinken. Umso blöder war dann
wieder der Umstand, dass wir erst wieder nach Latschau mussten, um wieder zum
Heim zu kommen. Es gab zwar eine Abkürzung, die aber meistens nicht begehbar
war und auch nicht begangen werden sollte.
2. Wanderung: Golmer Joch 2124m – Latschätzkopf 2219m – Kreuzjoch 2261m – Geißspitze 2334m – Lindauer Hütte 1744m – Latschau 1000m – Heim 1300m
Den Weg bis Matschwitz
kannten wir bereits. Dann haben sich die sportlichen und die weniger
Sportlichen getrennt. Die weniger Sportlichen fuhren mit der Standseilbahn auf
den Golm, während die anderen den (weniger befahrenen und nicht so staubigen)
Fahrweg weiter zum Golm ging. Über den schönen und aussichtsreichen Gratweg
über 3 Gipfel kamen wir zur Geißspitze, die einen wunderschönen Ausblick auf
die nahen Drei Türme, der Drusenfluh und der Sulzfluh hat, aber zum Rasten nicht
so günstig ist, da fast überall Brennnesseln wachsen. Nach einer kleinen Rast
mussten wir quasi die Direttissima zur Lindauer Hütte nehmen, die tief unter
uns lag. Das ging ganz schön in die Knie. An der Lindauer Hütte gibt es den
schönen Alpengarten zu bewundern, der zwar für 14-16 jährige nicht unbedingt
interessant ist, aber schon die Namen einzelner Pflanzen waren schon lustig.
Danach aber wieder das ganze Gauertal hinauslaufen und die restlichen 300
Höhenmeter zum Heim hochlaufen, ging schon manchen auf die Knochen.
3. Wanderung: Innerberg 1151m – Kristberg 1443m – Sattel 1479m – Höhenweg 1526m – Bartholomäberg 1087m – Schruns 690m – Heim 1300m
Mit einem meist uralten
Postbus aus den 40er oder 50er Jahren (teilweise mit Fliehkraftkupplung) fuhren
wir auf die andere Talseite nach Innerberg. Da ich die Freizeit auch noch 1976,
1978 und 1982 (teilweise als Jugendleiter) mitgemacht habe, musste ich
feststellen, dass es an diesen Tagen immer heiß war und kein Schatten in Sicht
war. Wieder auf einem Fahrweg gingen wir zur Knappenkapelle Kristberg (da war
Schatten drin und kühl), die einen sehr schönen Altar hat. Weiter über den
Kristbergsattel und den Panoramaweg unterhalb des Itonskopfes gingen wir bis zu
einer Stelle, wo auf relativ direktem Weg durch die Weiden ein Trampelpfad
(markiert) nach Bartholomäberg führt. Dort auch noch mal die Kirche besichtigt
und weiter auf direktem Weg nach Schruns hinunter. Dann noch die Stunde
Aufstieg zum Heim war dann auch schon wieder genug für die Füße.
4. Wanderung: Sennigrat 2289m – Wormser Hütte 2350m – Kreuzjoch 2395m – Herzsee – Schwarzsee – Kapellalpe 1873m
Wieder mit dem Postbus nach
Schruns zur Talstation der Hochjochbahn. Mit der Bahn zur Kapellalpe und mit
dem Sessellift hoch zum Sennigrat. Ab hier den ausgetretenen Wanderweg zur
Wormser Hütte und nach einer kurzen Pause weiter teilweise mit leichten
Kletterpassagen auf das Kreuzjoch. Wenn hier nicht zu viele Leute waren, eine
größere Pause. Dann Abstieg über den schön gelegenen Herzsee und den Schwarzsee
über Almgebiet zur Kapellalpe und mit der Bahn wieder nach unten. 1976 mussten
wir uns wieder einmal vor dem Gewitter flüchten und sind dummerweise noch in
die Gondel eingestiegen. 50 Personen, die auf engstem Raum zwischen den Stützen
im Gewitter hingen und 1 Stunde warten mussten, bis der Wind sich gelegt hat
und die Gondel ohne Gefahr an den Stützen vorbeifahren konnte.
5. Wanderung: Lünersee 1979m – Verajöchli 2330m – Schweizer Tor 2137m – Öfapass 2291m – Lindauer Hütte 1744m – Latschau 1000m – Heim 1300m
Mit dem Postbus fuhren wir
über Tschagguns, Bludenz und Brand zur Talstation der Lünerseebahn, mit der wir
auch noch das letzte Stück auf die Höhe abkürzten. Auf dem Seeweg bis zur
Lünerseealpe noch eben, ging es dann über die beiden Pässe meist auf Almwegen
wieder zur Lindauer Hütte. In einem Jahr mussten wir uns fürchterlich beeilen,
um nicht ins Gewitter zu kommen, was aber nur die Hälfte der Truppe schaffte.
Die anderen waren ganz schön nass. Und wieder das ganze Gauertal hinunter und
die letzten 300m wieder hoch...
6. Wanderung: Bielerhöhe
2032m – Wiesbadener Hütte 2443m
Wieder eine Postbusfahrt,
diesmal auf die Bielerhöhe zum Silvrettastausee. Eigentlich nur ein
Hüttenanstieg auf einem vielbegangenen Weg, die Höhe hat uns aber doch schon
beeindruckt, aber auch die Nähe zum Gletscher.
Und dann kam der Höhepunkt:
7. Wanderung: Latschau 1000m – Alpilaalpe 1800m – Tilisunahütte 2208m – Sulzfluh 2818m – Gauertal 1520m – Latschau 1000m – Heim 1300m
Diese Tour durften nur die
Auserwählten mitmachen, da sie bei insgesamt 4200 Höhenmetern (jeweils die
Hälfte hoch und die andere herunter) doch recht anstrengend war. Schon morgens um
5 Uhr gingen wir los, die Sonne war noch nicht richtig aufgegangen. Wir
stolperten noch wegen der Müdigkeit recht häufig, wussten aber auch, dass wir
das später abstellen mussten. Allerdings sind eineinhalb Wochen Jugendfreizeit
auch ohne Wanderungen recht anstrengend mit chronischem Schlafdefizit. Aber
spätestens nach 5 Minuten Aufstieg waren wir wach und tüchtig am schwitzen,
denn der Weg zur Alpilaalpe war recht steil. Danach noch einen kleinen
Abstecher zum Tobelsee, der ein wunderschönes Spiegelbildpanoramapostkartenmotiv
mit den Drei Türmen bietet, wenn der Wind nicht bläst.
Am Schwarzhornsattel vorbei
zur Tilisunahütte, die wir aber nicht besuchten, da jedes Mal die Belegschaft
noch mit Aufräumen und Saubermachen beschäftigt war. In diesem Jahr lag noch
sehr viel Schnee, so dass wir ab dem Abzweig zu den Sulzfluhhöhlen im Schnee
stapften bis zum Gipfelaufbau. Eine sehr gute Sicht in alle Richtungen war
unser Lohn. Die Pause war allerdings etwas zu kurz, aber dafür fing der Spaß
an. Wir nahmen den kürzeren Weg ins Gauertal durch den Rachen, der noch so
voller Schnee lag, dass selbst die Riesenblöcke teilweise noch unter dem Schnee
verschwanden und wir problemlos auf unseren Schuhen Skifahren konnten (mit
Wildlederschuhen aber ein nasses Vergnügen). So haben wir in einer halben
Stunde 800 Höhenmeter abwärts geschafft und da war noch eine kleine
Schneeballschlacht dabei. Jetzt hieß es aber konzentrieren, da der Steig direkt
an den Westabstürzen der Sulzfluh entlang und durch sie durch führte und wenn man
die Latschen an manchen Stellen bei Seite drückte, konnte man den Talgrund 700m
tiefer deutlich erkennen. Dahin war manchmal nur ein Schritt. Unten angekommen
wurden die letzten Essensreste vertilgt und die ebenfalls (vor-)letzten
Reserven mobilisiert. Das ganze Gauertal musste zum dritten Mal in voller Länge
abgestiegen werden. Eine letzte Pause gab es noch mal im Gauertalhaus. Nach 11
Stunden Gehzeit hatten wir die Tour hinter uns gebracht und waren alle ...
glücklich.
Spätestens hier hatte sich
in mir der Virus festgesetzt.